Wasserstoff als Wärmequelle?

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Bei der kommunalen Wärmeplanung wird auch über die zukünftige Nutzung von Wasserstoff zum Heizen von Gebäuden diskutiert. Nachfolgend beschreiben wir, warum es falsch wäre, sich auf die ausreichende Verfügbarkeit von bezahlbarem klimaneutralem Wasserstoff zu verlassen. Eine schlechte Effizienz in der Produktion, hohe Kosten und die erwartete anderweitige Nutzung von Wasserstoff (z. B. für die Stahlproduktion und die Luftfahrt) sprechen dagegen. Für das Heizen gibt bessere Alternativen.

Offener Brief „Achtung, Kostenfalle: Wasserstoff nicht verheizen!“

Durch das Gesetz für die Wärmeplanung und zur Dekarbonisierung der Wärmenetze (seit 01.01.2024 in Kraft) sind die Kommunen Deutschlands verpflichtet, Wärmepläne zu erstellen. Daher sind sie auf der Suche nach geeigneten Lösungen. Es ist zu beobachten, dass die existierenden Gasleitungen dabei besonders in den Fokus rücken. Bestehende Gasleitungen könnten teilweise auch für den Transport von Wasserstoff genutzt bzw. dafür umgerüstet werden und bestehende Gasheizungen können teilweise auch mit Wasserstoff betrieben werden. Die Gaslieferer sehen hier eine Chance, allmählich von fossilem Erdgas auf höhere Wasserstoff-Anteile umzuschalten und so mittel- bis langfristig das bestehende Geschäftsmodell zu sichern.

Vor diesem Hintergrund haben mehrere Organisationen unter Federführung des Umweltinstituts am 21.03.2024 einen offenen Brief an die Bürgermeister:innen aller Gemeinden Deutschlands geschickt, der sich auch an die Verantwortlichen der Stadt Köln richtet. Der Brief wird von der Fachgruppe Energie und der Fachgruppe „ Kommunaler Klimaschutz“ der Scientists for Future mit gezeichnet. Der Brief warnt eindringlich davor, welche Kostenfalle für Kommunen und Bürger:innen damit verbunden ist, wenn in der kommunalen Wärmeplanung auf Wasserstoff gesetzt wird. Damit auch eine breitere Öffentlichkeit diesen offenen Brief einordnen kann, erläutern wird in diesem Artikeln die wichtigsten Fakten zur Effizienz, Kosten und Verfügbarkeit von Wasserstoff.

Einordnung: Heizen mit grünem Wasserstoff

Unsere Anstrengungen zur Minderung des Klimawandels erfordern die massive Reduktion von Treibhausgasemissionen. Große Herausforderungen stehen im Bereich Wärme bevor. Mehr als 50% des Primärenergiebedarfes wird für die Wärmeerzeugung benötigt, allein 28% für Gebäudewärme. Hier geht es um die nachhaltige Versorgung von Industrie und Wohnungen mit Energieformen, die nicht auf fossilen Quellen beruhen.

Für treibhausgasarmes Heizen stehen verschiedene Möglichkeiten zur Verfügung. Die wichtigste ist die Verwendung von grünen Strom in Verbindung mit Wärmepumpen und bestehenden Wärmereservoirs niedriger Temperatur. Solche Wärmereservoirs sind z. B. Umgebungsluft, kalte Nahwärme basierend auf Flusswasser, Abwärme von Industrie und Rechenzentren, saisonalen Wärmespeichern oder Geothermie. Weitere Möglichkeiten des treibhausgasarmen Heizens bestehen im Einsatz von Geothermie sowie durch die Verbrennung von Biomasse (z. B. Holzpellets) und Biogas. Die Verbrennung von sog. grünem Wasserstoff ist grundsätzlich eine weitere Möglichkeit.

In ihrem Policy-Paper Wasserstoff in der Energiewende haben die Scientists for Future davor gewarnt, Wasserstoff (H2) als Ersatz für Erdgas im Heizungsbereich zu nutzen. Dagegen sprechen drei Gründe:

  1. Verfügbarkeit: Grüner Wasserstoff wird auf lange Sicht nicht in ausreichenden Mengen zur Verfügung gestellt werden können.
  2.  Effizienz: Es gibt effizientere Alternativen zum Heizen mit grünem Wasserstoff.
  3. Kosten: Die mit der Herstellung und Verwendung verbundenen Kosten von grünem Wasserstoff sind viel zu hoch für einen breiten Einsatz im kommunalen Heizen.

Die drei Gründen werden im Folgenden näher ausgeführt.

Effizienz

Der für die H2-Herstellung benötigte grüne Strom kann aus physikalischen Gründen sehr viel effizienter über elektrische Wärmepumpen zur Raumwärme beitragen, als es über die Verbrennung von daraus erzeugtem H2 möglich wäre. Bei bestehendem Raumwärmebedarf sind hierbei zwei Situationen zu unterscheiden:

A) Es gibt einen Überschuss an grünem Strom.
Aus einer Kilowattstunde (kWh) elektrischer Energie lassen sich je nach Wärmequelle mit Hilfe einer Wärmepumpe 3 kWh oder mehr an Heizenergie zur Verfügung stellen, wohingegen sich aus der gleichen kWh elektrischer Energie per Elektrolyse nur 0, 7kWh an Brennwert in Form von H2 herstellen lassen, der dann in heimischen Gasthemen verbrannt werden müsste. Unter Berücksichtigung von Transportverlusten würde dies eine Ausbeute von allerhöchstens 63% der ursprünglichen elektrischen Energie bedeuten. Der Unterschied zwischen Nutzung einer Wärmepumpe und dem Verbrennen von grünem H2 betrüge also einen Faktor von mindestens 4,8.

B) Es gibt einen Mangel an grünem Strom und die Energieversorgung beruht auf zuvor erzeugtem grünem H2.
In diesem Fall muss H2 zur Verstromung in Kraft-Wärme-Kopplungs-Anlagen eingesetzt werden, damit auch die dabei entstehende Abwärme genutzt werden kann. Eine Nutzung von Teilen des H2 für reine Heizzwecke stünde in Konkurrenz zu seiner unverzichtbaren Verstromung und würde somit die Gesamteffizienz seiner Nutzung schmälern. Demgegenüber würde die Nutzung von Teilen des erzeugten Stroms durch Wärmepumpen dazu beitragen, dass aus 1 kWh Brennwert des eingesetzten H2 mehr als 1 kWh an Nutzenergie entstehen kann.

Kosten

Damit eine direkte H2-Nutzung in heimischen Gasthermen überhaupt möglich ist, müsste das bestehende Versorgungssystem von Erdgas nach und nach auf Wasserstoff umgebaut werden, was aus verschiedenen Gründen eine sehr aufwändige und somit teure Maßnahme wäre:

  1. Die vorhandenen Gasleitungen sind für den Transport von 100% H2 überwiegend nicht geeignet, weil H2 durch die überwiegend aus herkömmlichen Materialien bestehenden Erdgasleitungen diffundieren kann.
  2. Es kann davon ausgegangen werden, dass ein zunächst absehbarer Import von H2 ebenfalls die Kostensituation im Vergleich zur unmittelbaren Nutzung hier erzeugten Stromes verschlechtert.
  3. Der auf das Volumen bezogene Heizwert von H2 beträgt nur rund ein Drittel desjenigen von Erdgas, weshalb das dreifache Gasvolumen zur Erzielung gleicher Heizleistung benötigt würde (von notwendigen umfangreichen Änderungen an vorhandenen Gasthermen oder Neuanschaffungen einmal ganz abgesehen). Auch dafür sind die bestehenden Gasleitungen nicht ausgelegt.

Verfügbarkeit

Aus den genannten Gründen ergibt sich eine Anwendungspriorität für grünen Wasserstoff, an deren Spitze die unverzichtbare und nicht substituierbare stoffliche Verwertung in der Industrie steht (insbesondere chemische Industrie und Stahlproduktion) sowie seine Anwendung für spezielle Mobilitätsanwendungen (Luftfahrt, interkontinentale Schifffahrt und einige landgebundene Schwerlastanwendungen ohne Alternativen …).

Alternativen nutzen

Aus den obigen Gründen rät auch die Regionalgruppe Köln-Bonn der Scientists for Future dazu, im Rahmen der kommunalen Wärmeplanung Alternativen zur Versorgung von Privathaushalten mit Wasserstoff zu nutzen.

Dies sind u. a. der Aufbau von Niedertemperaturwärmenetzen als Basis für den hocheffizienten Einsatz von Wärmepumpen, gespeist aus den unterschiedlichsten lokalen Wärmequellen wie z. B. Rechenzentren, Industrieabwärme, Flusswasser, Grundwasser, aber auch der Aufbau von direkten Wärmespeichern zur Speicherung der Energie überschüssigen Grünstroms in Form von Wärme.

Weitere Informationen der Scientists for Future:
Policy-Paper Wärmewende 03-2022: Wasserstoff in der Energiewende
Policy-Paper Wärmewende 08-2023: Haben Gasnetze eine Zukunft
Clausen et al. (2023). Die schnelle Verbreitung der Wärmepumpe ist zentral für schnelle Wärmewende

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