Der Aktionsplan Klimaschutz Köln (Teil 3): Voll im Bilde? Info- und Verwirrgrafiken

Kölner Dom vor dramatisch gelb-blau-grauem Himmel; vorne grüne Bäume
Günter Hentschel: Blick aus der Seilbahn auf den Kölner Dom, CC BY-SA

Die jährlichen Treibhausgas-Emissionen Kölns liegen derzeit bei etwa 9 Millionen Tonnen CO2-Äquivalenten. Wie im 1. Teil dieser Artikelserie erwähnt, kann die Stadt Köln selbst nur ungefähr ein Drittel dieser Menge beeinflussen.

Ob es wirklich gelingt, unsere Großstadt bis 2035 klimaneutral zu machen, wird daher wesentlich davon abhängen, ob die lokale Wirtschaft und die Bürger*innen die Lage, die Größe der Aufgabe und die Notwendigkeit entschlossener eigener Beiträge rechtzeitig erfassen. Diagramme und Infografiken haben das Potenzial, komplexe Inhalte zugänglich zu machen, können aber Anschaulichkeit auch nur vortäuschen, ja sogar inhaltliche Unklarheiten verbergen.

Daher untersuchen wir im Folgenden einige der acht Abbildungen aus dem 2. Kapitel des Aktionsplans Klimaschutz Köln (AKK), “Der Weg zum Aktionsplan”.

Gleich der Einstieg, Abbildung 1, ist ein harter Brocken: Die Kombination aus einer gestapelten Säule, einem Symbolbild mit drei Ebenen und farbcodierten Textinformationen zeigt die sogenannten Einflussbereiche verschiedener Player.

Unterschieden wird zum einen zwischen unmittelbarer Einflussnahme der Stadt Köln und einem weiteren, potenziellen Einflussbereich – und zum anderen zwischen direktem und indirektem Einfluss. Laut AKK (S. 14) heißt direkt, dass die Stadt als Organisation etwas tut, um die eigenen Emissionen zu senken. Indirekten Einfluss übt sie laut AKK auf Dritte aus, um deren Emissionen zu senken – beispielsweise durch regulative Maßnahmen, Bebauungspläne oder Förderprogramme, die an nachgewiesene Emissionsminderungen gekoppelt sind.

Allerdings: Die Definitionen von direkt und indirekt unterscheiden sich fundamental zwischen AKK und Fachgutachten. Im 1. Band des Gutachtens “Köln klimaneutral 2035” zählen verbindliche energetische Standards, Festsetzungen in Bebauungsplänen und spezifische Förderprogramme mit einer Kopplung an nachgewiesenen Emissionsminderungen ausdrücklich zum direkten, unmittelbaren Einflussbereich der Stadt (S. 13). Die Verwaltung fasst den direkten Einflussbereich im AKK wesentlich enger, als es zuvor die externen Expertinnen und Experten getan haben.

Weiter unterscheiden Fachgutachten und AKK zwischen Aktionen, die die Stadt selbst betreffen, und Aktionen, die Unternehmen betreffen, an denen die Stadt eine Mehrheitsbeteiligung hat – etwa die RheinEnergie.

Der Farbcode in dieser Abbildung hat nichts mit den Erkennungsfarben der sechs Handlungsfelder zu tun, die wir im 1. Teil vorgestellt haben. Vielmehr steht Grün für den unmittelbaren Einflussbereich des “Konzerns Stadt Köln”, Violett für die “Marktakteure” (Bürger*innen und Unternehmen), die der Konzern Stadt Köln potenziell beeinflussen kann, und Taubenblau für EU, Bund, Land NRW und Marktakteure, auf deren Emissionen die Stadt keinen Einfluss hat. Die dünnen Linien zwischen den drei scheibenförmigen Entscheidungsebenen im Symbolbild werden nicht erläutert, dürften aber für Wechselwirkungen stehen – zum Beispiel für Rahmenbedingungen, die die EU festlegt und die sich auf Köln auswirken. Der Farbcode findet sich im Säulendiagramm wieder, allerdings in umgekehrter Reihenfolge: Hier bildet der grüne, unmittelbare Einflussbereich der Stadt Köln die Basis, darüber folgt – zweigeteilt – der potenzielle Einfluss auf Marktakteure, und den oberen Abschluss bildet der taubenblaue Bereich, auf den die Stadt keinen Einfluss hat.

Abb. 1: Einflussbereich der unterschiedlichen Akteur*innen (Quelle: Gutachten „Köln klimaneutral 2035“)

Die sattgrüne Basis der Säule enthält Zahlenangaben: Die drei Einflussbereiche 1 (Verbrauchen und Vorbild), 2 (Versorgen und Anbieten) sowie 3 (Regulieren) sollen zusammen nur etwa 3% des Emissions-Einsparpotenzials ausmachen, Einfluss 4 (Beraten und Motivieren) weitere etwa 12%. Das gibt Rätsel auf, denn dieser Teil der Säule entspricht – seiner Höhe nach – etwa 19% und nicht 15%. Die Klassifikation 1-4 stammt aus dem Fachgutachten “Köln klimaneutral 2035”. Während diese vier Einflussbereiche im Fachgutachten eine zentrale Rolle einnehmen, kommen sie im AKK nach Abbildung 1 kaum mehr vor. Insbesondere von einer Emissionsreduktion durch Regulieren (also städtische Ge- und Verbote) ist im gesamten AKK nicht mehr die Rede: Die Autor*innen sehen hier offenbar keinen Gestaltungsspielraum.

Das nächste Rätsel: Der zweigeteilte potenzielle Einflussbereich der Stadt und der Marktakteure soll laut Text etwa 30% bis 75% der Emissionen tangieren, wobei der blassgrüne Bereich z. B. für die Energieversorgung stehen soll. Der blassgrüne Teil nimmt aber etwa 21% der Säulenhöhe ein und der blassblaue darüber etwa 24% der Säulenhöhe, zusammen etwa 45%: nicht 30%, nicht 75% und auch nicht die Mitte dieses Intervalls. Die Segmente der Säule sind also nicht proportional zu den angegebenen Werten.

Obwohl hier das Fachgutachten als Quelle angegeben ist, kommt das Säulendiagramm in ihm nicht vor. Auch die Herkunft der Angabe “30 bis 75% (Einschätzung IFEU)” bleibt unklar: Im Fachgutachten steht sie so nicht; in anderen Quellen mit IFEU-Beteiligung wie dem Bericht “Klimaschutzpotenziale in Kommunen” (Umweltbundesamt, 2022) oder der Treibhausgas-Bilanz der Stadt Köln ist sie auf Anhieb ebenfalls nicht zu finden. Eine ähnliche gestapelte Säulengrafik gibt es in einer Klimaschutzkonzept-Präsentation der Stadt Herne aus dem Jahr 2021, an der offenbar dieselben externen Expert*innen beteiligt waren wie am Fachgutachten für Köln (PDF, S. 8). Dort sind die Säulensegmente von unten nach oben 20%, 20%, 20% und 40% hoch: Der Handlungsspielraum der Kommune liegt maximal – einschließlich aller indirekten Instrumente wie Beratung und Förderung – bei 60%, wobei das direkte kommunale Handlungspotenzial 20% beträgt.

Auch nach eingehender Beschäftigung mit der Abbildung bleibt die Aussage vage: Unmittelbar umsetzen kann die Stadtverwaltung demnach Maßnahmen, die etwa 15% der Emissionen betreffen. Potenziell kommen noch 30% bis 75% hinzu, wenn nicht nur die Stadt und die Unternehmen mit städtischer Beteiligung, sondern auch alle anderen Unternehmen und alle Bürger*innen ihre Emissionen bestmöglich senken. Das ist ein sehr breites Spektrum.

Andere Diagramme sind leichter nachzuvollziehen. Die Abbildungen 2 und 6 zeigen zusammen gut, was in fünf der sechs Handlungsfelder passieren muss – und welcher Anteil des jeweiligen Einsparpotenzials im AKK adressiert wird. (Das sechste Handlungsfeld, “Kommunale und zivilgesellschaftliche Transformation zur Klimaneutralität erreichen”, geht nicht mit eigenen, bezifferbaren Emissionseinsparungen einher und kommt daher in diesen Grafiken nicht vor.)

Wasserfalldiagramm der Emissionseinsparungen in 5 Handlugnsfeldern

Abbildung 2: Die Zielbeiträge je Handlungsfeld (Quelle: Gutachten „Köln klimaneutral 2035“)

Die vergessene Legende am Kopf-Symbol in Abbildung 2 muss “Klimaneutralen Lebensstil und Bildung fördern” lauten; das ist das fünfte Handlungsfeld.

Säulendiagramm, das in den Handlungsfeldern das gesamte Einsparpotenzial zwei kommunalen Einsparpotenzialen aus dem Aktionsplan gegenüberstellt

Abbildung 6 Übersicht des kommunal beeinflussbaren Einsparpotenzials im Verhältnis zum Reduktionspotenzial
je Handlungsfeld (Quelle: Gertec Ingenieurgesellschaft)

Die Reduktionspotenziale in beiden Abbildungen addieren sich nicht zu 9, sondern nur zu gut 8 Millionen Tonnen CO2-Äquivalenten pro Jahr; der Rest soll kompensiert werden. Dass es nach der Transformation gewisse Rest-Emissionen geben wird, ist realistisch. Sie stammen beispielsweise aus den Klärwerken im Stadtgebiet, aus denen auch in Zukunft gewisse Mengen an Lachgas (N2O) und Methan (CH4) in die Atmosphäre entweichen werden.

Wenig überraschend bieten die Handlungsfelder “Klimaneutrale Energieversorgung erreichen” und “Mobilität und Logistik werden klimaneutral” die größten Treibhausgas-Einsparpotenziale. Auffällig dabei: Die beiden kommunalen Einspar-Szenarien – also das, was im AKK skizziert und mit konkreten Maßnahmen unterfüttert ist – decken bei der Energieversorgung etwa die Hälfte des gesamten Potenzials ab; bei der Mobilität und Logistik wird dagegen nicht einmal ein Viertel des Potenzials erreicht. Auf diese enorme Kluft zwischen dem Notwendigen und dem (nach Darstellung der Stadt) Möglichen kommen wir in einer späteren Folge dieser Artikelserie zurück.

Ein Wort noch zur Benennung der beiden kommunalen Emissions-Einsparszenarien in Abbildung 3: Wenn eines davon als “maximal” und das andere als “ambitioniert-realistisch” bezeichnet wird, wird das maximale Szenario implizit als unrealistisch abgetan. Das steht im Widerspruch zum Postulat, dass Klimaneutralität bis 2035 erreichbar sei, und der Erkenntnis, dass wirklich alle Potenziale ausgeschöpft werden müssen, um dieses Ziel zu erreichen.

Die wohl spannendste der acht Abbildungen im 2. Kapitel des AKK steht im Kontext einer Kosten-Nutzen-Analyse: Durch welche Aktionen kann die Stadt große Ausgaben und große Emissionen einsparen? Was lässt sich schnell umsetzen, was braucht viel Vorlauf? Welche Aktionen bringen Mehrausgaben mit sich, sind aber zur Erreichung der Klimaneutralität dennoch vonnöten? Mit dieser Visualisierung befassen wir uns im nächsten Teil.

(Fortsetzung folgt)

Links

Titelbild von Günter Hentschel bei Flickr

Fachgutachten Köln klimaneutral 2035

Aktionsplan Klimaschutz

 

3 Kommentare Schreibe einen Kommentar

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  3. Danke, das ist sehr interessant! Gut zu sehen, dass ich nicht zu doof bin, die Grafik 1 zu verstehen, sondern dass sie tatsächlich in sich schwierig ist.

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